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Krebs – Spinnen, das Schicksal gestalten

Von Ulla Janascheck

 Die grosse Mutter spinnt den Schicksalsfaden und erscheint als Spinnerin meistens in ihrer Dreigestalt. Sie spinnt am “sausenden Webstuhl der Zeit” und im Uterus des Weiblichen Bänder, Fäden, Gewebe, das Leben und das Schicksal. Wenn sie die Fäden kreuzt, ist das auch ein Symbol der geschlechtlichen Vereinigung – dann nämlich kreuzen sich die beiden Lebensfäden von Mann und Frau. Setzt sie das grosse Spinnrad in Bewegung, beginnt die Zeit – beginnt auch ein neues Leben. 

Schicksalshafte Verflechtungen bestimmen das Lebensmuster des Einzelnen und finden durch das Wirken der Spinnerin statt. Spinnerinnen tauchen im Märchen (z.B. bei Dornröschen) als Patinnen zur Geburt eines Kindes auf und versorgen es mit Gaben oder Veranlagungen, die sie ihm mit in die Wiege legen.

Die Fäden der Spinnerin
Alten Kulturen gemeinsam ist die Ansicht, dass der Lebensfaden sich aus den drei Farben, schwarz, weiss und rot zusammensetzt. Der schwarze Faden wirkt das Totenreich, die Unterwelt, das Ende. Der rote Faden steht für das reife Leben, die Hochzeit und die erotische Fülle. Der weisse Faden wirkt die Geburt, die Reinheit, das frisch Initiierte, das unschuldige Erleben. Die Spinnerin webt positive wie auch negative Aspekte, die Erlösung und den Bann, Netz und Schlinge und knüpft Knoten. Sie vermag zu fesseln und zu binden wie auch zu befreien und zu lösen. Ihrem Faden wohnt die heimliche Seelen- und Liebesenergie inne, die magnetische Anziehung hervorzurufen versteht, sie kann verlocken und verzaubern. Jedem Menschen ist sie zueigen. Durch die Lebensschnur verbindet sie die Seele über den Körper hinausreichend mit der ursprünglichen Weisheits- und Liebesenergie. Diese Lebensschnur tritt aus dem Scheitel-Chakra als Silberschnur aus und vernetzt sich dann mit anderen zu einem Geflecht, das auch das Lebensmuster oder Schicksalsmuster ist.

Das Lebensmuster
Es ist durchdrungen von der einen Energie, aber durch die jeweiligen Verknüpfungen einzigartig. Das Muster webt auch die Wege und Rhythmen des Lebens. Die Bewegung, die aus diesen Rhythmen entsteht, vermag die Materie zu formen, Träume hervorzurufen und Wünsche entstehen zu lassen, die sich dann wieder, entsprechend des gesponnenen Fadens, erfüllen und neue Muster hervorrufen. Die Spinnerin weiss, dass sie schon alles gewesen ist und alles sein kann, denn ihr Faden ist Anfang und Ende zugleich – gestaltgebend, formauflösend – je nachdem ob sie spinnt oder auftrennt.

Das Lebensrad besingen
Ihr Spinnrad ist auch das Lebensrad, das sie dreht und zu dem sie vielleicht - durch die gleichförmige Bewegung in tranceartige Schau versetzt - beschwörende Formeln aufsagt. Vielleicht murmelt sie dazu oder singt, wiederholt Klänge, die aus ihrem Inneren kommen. Sie sind Ausdruck ihres inneren Rhythmus, der sie gemäss ihrer zyklischen Verwandlung begleitet. Vielleicht schnaubt sie, oder grunzt, brüllt, schreit oder murmelt, während der Faden länger und länger wird, dicker oder dünner, währenddessen sie vielleicht einen Knoten hinzufügt oder sich der Faden unter ihr zu einer Spirale oder einem Labyrinth zusammenlegt, zuvor gesponnene Fäden berührt oder die Wege von wieder anderen kreuzt. Die Spinnerin spinnt, während ihre Träume ihr Wirken begleiten. Sie legt ihre Fäden in die Gebärmutter von Frauen, die sich so mit ihr erneut verbinden und ihr persönliches Muster mit dem neuen Anfang verknüpfen. So lebt ihr Gesponnenes weiter und beginnt sich gleichzeitig zu verändern, indem sich durch das neue heranwachsende Wesen auch vielfältigere Möglichkeiten für die Fortsetzung ihrer eigenen Gewebe ergeben.

Im Lebensfluss
Die Spinnerin ist unermüdlich im Fluss, denn sie ist der Fluss. Durch ihre gleichförmige Tätigkeit vermag sie in tiefere Bewusstseinszustände einzutauchen, sich zu verwandeln und sich selbst immer wieder aufs Neue zu initiieren, denn sie verhilft dem Leben zur Geburt und weiss gleichzeitig auch, dass jeder Faden einen Anfang und ein Ende hat. Sie kennt ihre Fäden und auch das Muster des Netzes, das sich gleichzeitig webt während sie spinnt. Das Gespinst des Lebens – das sich über die Mutter und die Vormütter mit der Urmutter verbindet, verbindet auch all diese Kräfte. Es verbindet die Frau mit ihrem Geliebten, mit ihren FreundInnen, mit allem, was ihren Lebensweg kreuzt und deshalb ist es ihr auch ein tiefes Bedürfnis, Frieden zu finden, Konflikte zu lösen und sich zu erinnern – woher sie kam und warum sie da ist.

Wandeln
Die Spinnerin spinnt und spinnt und wer sich auf die Suche nach ihr macht, muss sich in die ungeformte Nacht begeben, um das ihr innewohnende Geheimnis zu finden. Nur wer zur Verwandlung bereit ist, kann sich ihr nähern und ihren tiefen Seinszustand erfahren, denn sie hütet das Geheimnis der Wandlungsfähigkeit. Die Spinnerin kennt das Geheimnis der Geburt, ja sie kennt aber darüber hinaus auch die andere Seite. Sie ist auch das Tor, dass sich zwischen Leben und Tod befindet. Sie ist liebende Göttin und gleichzeitig irdische Geliebte – vergisst sie ihren Ursprung, dann verfängt sie sich im Geflecht der sich kreuzenden Lebensfäden. Kann sie sich aber ihre Erkenntnisfähigkeit aus der anderen Welt erhalten, dann entwickelt sich ganz natürlich ihre liebende Ergebenheit und wird zu einer Frau, deren Leidenschaftlichkeit durch Liebe erwidert wird, weil sie berührt ist und selbst zu berühren vermag.

Klingen
Vielleicht hat die Spinnerin auch die bauchartigen Saiteninstrumente erfunden, die ebenfalls aus Fäden bestehen und die Klänge des Kosmos ausdrücken. Die ursprünglich sieben Saiten waren den sieben bekannten Planeten zugeordnet, und wenn man sie spielte, klang damit der gesamte Kosmos mit.

Zwischen den Zeilen lesen
Die Spinnerin ist geheimnisvoll, sie liest und erkennt Bilder, die anderen verborgen bleiben. Deshalb versteht sie sich auf die Orakelkunst und kann die Zeichen der Natur lesen und erkennen, denn sie nimmt die Zusammenhänge der Wandelbarkeit wahr, nicht die einzelnen Formen. Sie ist mit dem Rhythmus ihres Fadens verbunden und kann deshalb alle Rhythmen erfassen.

Nachts ist es dunkel
Die dunkle Seite der Spinnerin zeigt sich in Verstrickungen. Denn wird der Lebensfaden vom Ego genutzt, dann möchte man binden, fesseln und mit ihm festhalten. Es entstehen dann Netze, in denen man kontrolliert, die Fäden zieht und die Wirklichkeit so “verzaubert”, dass magnetisch Umstände angezogen werden, die das bestätigen, woran das Ego aufgrund seiner vergangenen Erfahrungen glaubt. Jetzt ist man von der wahren Erfahrung der Wirklichkeit abgetrennt und ein Schleier legt sich über die Wahrnehmung. Selektiv wählt das Bewusstsein nun aus, was von ihm umsponnen wird. Was es will, hält es fest. Was es nicht will, lässt es gehen: Jetzt wirkt die Spinnerin nicht mehr aus dem Fluss heraus, sondern um sich zu schützen und vielleicht auch um sich etwas einzuverleiben. Dieser Vorgang kostet Kraft, wohingegen die Hingabe an das was gegeben wird Energie liefert. Geschehen lassen können ist die Voraussetzung für das im Fluss Sein mit der höheren Bestimmung. Das Bewusstsein folgt oder begleitet das Schicksal und lässt sich vom Faden der Spinnerin führen.

Im Märchen muss die Spinnerin gefunden werden. Sie zeigt sich am Ende einer Suche als zentrale Kraft eines Labyrinths oder Weges. Sie “verlangt”, dass mir auf dem Weg meine Verflechtungen, Verstrickungen und Abhängigkeiten bewusst werden, damit ich sie loslassen kann. Denn solange ich etwas erreichen “will”, bleibt sie mir verborgen. Sie erscheint, wenn ich es lerne mich führen zu lassen, in gewisser Weise wunschlos geworden bin. Das Wünschen ist dann nicht mehr von persönlichen eigennützigen Vorstellungen geprägt, sondern stimmt mit dem kosmischen Plan überein.

Kraft der Wünsche
Das Fadenmaterial der magnetischen Anziehung vernetzt und durchwirkt alle, steht jedem zur Verfügung. Es kommt einfach nur darauf an was ich damit anfange: Auf mein innerstes Wünschen, welches dann das Muster hervorbringt. Deshalb ist es immer wieder gut, sich in regelmässigen Pausen nach Innen zu richten und die persönlichen Wünsche zu überprüfen. So erlangt man Bewusstheit darüber, wer den Faden spinnt und erkennt vielleicht, wie und wo man sich aufgrund seines Gewebten so verknotet, dass sich das Leben scheinbar magisch wiederholt ohne sich zu verändern.

Artikel ist in leicht veränderter Form dem Buch von Ulla Janascheck entnommen: Göttinnenzyklus, von weisen Frauen, ihren Künsten und Wirkstätten, Arun Verlag
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