Zwischen den beiden Weltkriegen gehörte Johannes Vehlow zu den bedeutendsten Astrologen Deutschlands.
Johannes Vehlow (1890 - 1958) ist, ähnlich wie der eine Generation nach ihm geborene Bernd A. Mertz, viel eher ein großer Darsteller und Zusammenfasser der klassischen Astrologie als ein Erfinder neuer Systeme. Bekannt wurde er vor allem durch sein achtbändiges Hauptwerk "Lehrkursus der Wissenschaftlichen Geburtsastrologie". Hier hat Vehlow praktisch alles gesammelt und systematisiert, was zu seiner Zeit an Technik und Deutung in der traditionellen klassischen Astrologie bekannt war.
Johannes Vehlow 21. September 1890 18h12 LMT Rügenwalde (16°24'45''E 54°25'27'' N) Quelle: Taeger
Vehlow stellt die Astrologie zum Teil sehr stark aus esoterischer bzw. theosophischer Sicht dar, wobei bei ihm noch sehr die traditionelle Perspektive auf das gute oder üble "Schicksal" dominiert. Eine Besonderheit bietet Vehlow nur insofern, als er versucht hat, die Häusertechnik zu verfeinern. Vehlow geht davon aus, daß der Aszendent die Mitte eines äqualen Horoskophauses sei. In unserem Beispielhoroskop wäre also der Aszendent bei 24°08' Zwillinge die Mitte des ersten äqualen Horoskophauses, dessen Grenzen bei rund 11° Zwillinge bzw. 11° Krebs liegen. Das Medium Coeli - bei Vehlow als "mathematischer Zenit" bezeichnet - wäre also wiederum ein Punkt außerhalb der Häusersystematik, in unserem Beispielsfall im 9.Haus gelegen.
Neben diesen äqualen Häusern, deren erstes durch die Lage des Aszendenten bestimmt wird - Er spricht hier von Häusern nach der "Horizonteinteilung" - benutzt Vehlow noch ein weiteres Häusersystem nach der "Sonnenorteinteilung". Hierbei bildet die Sonne selbst die Mitte des ersten sogenannten "Sonnenhauses". Auch die Sonnenhäuser nach Vehlow sind äqual, das 1. Sonnenhaus würde in unserem Beispielhoroskop dann von 13°37 Stier bis 13°37 Zwillinge reichen. Merkur befände sich somit im 1.Sonnenhaus, der Aszendent, aber auch Mond und Uranus somit im 2. Sonnenhaus.
Um diese doppelte Einteilung fruchtbar zu machen, zieht Vehlow im wesentlichen die Morin'sche Systematik heran, also die Theorie der Planetenherrschaft über die Zeichen.
Beispielhoroskop 20. Mai 1950, 5:01 Uhr GMT, 7o38 51n58
Diese Abbildung zeigt unser Beispielhoroskop nach der Methode Vehlow gezeichnet. In den zusätzlichen Außenring sind die Sonnenhäuser nach Vehlow eingezeichnet. Er arbeitet zusätzlich mit dem Glückspunkt oder Glücksrad, das nach der Formel Aszendent plus Mond minus Sonne berechnet wird und in unserem Beispielhoroskop bei 29°07' Krebs steht. Zusätzlich ist hier die Stellung Plutos eingezeichnet, und Vehlow weist ausdrücklich den absteigenden Mondknoten in der Position genau gegenüber dem aufsteigenden Mondknoten aus.
Vehlow teilt - nach einer Überlieferung der traditionellen Klassik - die Horoskophäuser in Malefizhäuser und Benefizhäuser ein. Die Malefizhäuser zeigen nach Vehlow Lebensverhältnisse an, die zu den weniger angenehmen oder gar unglücklichen gehören, während die anderen Häuser günstige und angenehme Dinge des Lebens andeuten, die erhofft und erstrebt werden können. In diesem Sinne sind das 3., 6., 7., 8., 9. und 12. Haus Malefizhäuser, das 1., 2., 4., 5., 10. und das 11. Haus Benefizhäuser. Auch hier zeigt sich die tradierte Einteilung in "gut" und "böse", die ihren Niederschlag ebenso in der Klassifizierung der Planeten in sogenannte "Wohltäter" und "Übeltäter" findet.
Betrachten wir nun die Stellung der Venus in unserem Beispielhoroskop. Venus steht nach Vehlow im 11. Horizonthaus und im 12. Sonnenhaus. Venus herrscht gleichzeitig über das 12. Horizonthaus und das 1. Sonnenhaus, weil die Mitten dieser beiden Häuser in das Zeichen Stier fallen, über das bekanntlich Venus herrscht. Ebenso aber herrscht Venus auch über das 5. Horizonthaus und das 6. Sonnenhaus, wiederum weil die Mitte dieser beiden Häuser in das Venuszeichen Waage fällt. Die jeweilige Hausherrschaft definiert sich also immer aus der genauen Lage der jeweiligen Häusermitte in einem Tierkreiszeichen.
Der Planet Venus holt nach Vehlows System die Angelegenheiten des 5. und des 12. Horizonthauses, aber auch die des 1. und des 6. Sonnenhauses mit in das 11. Horizonthaus herein, in dem sie unmittelbar steht. Auch Vehlow bewertet zunächst einmal die unmittelbare Stellung der Venus im 11. Haus, aber auch im Zeichen Widder. Hier gilt auch für Vehlow die "exilierte" Stellung der Venus in einem Benefizhaus, d.h. der Geborene wird in Partnerschaftsangelegenheiten (Venus) manches Gute, manche Freundschaft und Zuneigung erfahren (11. Haus), auch wenn Venus an sich im Zeichen Widder wenig günstig steht. Das Thema Erotik - Herrschaft der Venus über das 5. Horizonthaus - wird in der Partnerschaft für den Geborenen eine wichtige Rolle spielen. Aber er muß - Herrschaft der Venus über das 6. Sonnenhaus - mit der Partnerschaft auch viel Arbeit, Dienst, eventuell eine gewisse Zurücksetzung erfahren.
Bei dieser Deutung kommen natürlich die üblichen Aspekte der Venus hinzu. Vehlow, der sich sehr stark um die systematische und ausführliche Deutung des Horoskops bemüht hat, hat für die grundlegenden, existentiellen Lebensbereiche die jeweiligen Horoskopelemente - Planeten, Häuser, Aspektierungen usw. - zusammengestellt, die zur Analyse des entsprechenden Lebensbereichs im Horoskop heranzuziehen sind. Hier folgt Vehlow mit seinem zusätzlich verfeinerten Häusersystem im wesentlichen der klassischen bzw. traditionellen Astrologie unter Anwendung der Zeichenherrschaft nach Morin.
Das System von Johannes Vehlow ist heute nur noch bei wenigen Astrologen im Gebrauch. sein Zugriff auf die Astrologie im Sinne einer schicksalsorientierten, nahezu fatalistischen Deutung muß vom Standpunkt der Revidierten Klassik aus als fragwürdig empfunden werden, doch läßt sich seine ausgefeilte Häusersystematik grundsätzlich auch unter der Perspektive der Revidierten Klassik anwenden.
Dieser Artikel zu Johannes Vehlow ist dem Buch "Wege der Astrologie" von Christoph Schubert - Weller entnommen. Mit freundlicher Genehmigung des Chiron Verlags und des Autors.
Externe Links:
Hier gibt es die Vehlow-Bände zum Download
Johannes Vehlow - Vorkämpfer für eine wissenschaftliche Astrologie