Geschlechterdualität im Tierkreis

Von Christoph Schubert-Weller 

 Neben den Elementen und Urqualitäten, deren vielfältige Bedeutung im ersten Teil (siehe Artikel "Qualitäten, Elemente, Dynamik) untersucht wurde, existiert ein weiteres Paar von Grundbegriffen im Tierkreis, nämlich Männlichkeit und Weiblichkeit. Landläufig haben wir ein festgefügtes Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit.
Wir ordnen dem männlichen Prinzip das Aktive, Vorstoßende, auch das Zergliedernde, Sachorientierte zu. Wir ordnen dem Weiblichen das Passive, das Empfangende, das Verbindende, das Menschenorientierte zu. Von den Urqualitäten ist, wie wir gesehen haben, die "Wärme" dem Männlichen, die "Kälte" dem Weiblichen zugeordnet.
 
Männlichkeit und Weiblichkeit im Tierkreis
Zunächst muss man festhalten, dass beide Qualitäten als "aktiv" gelten. Das weibliche Geschlecht als passives Geschlecht, wie es viele Frauen und Männer (und viele Astrologinnen und Astrologen) gern sehen? Diese Sicht ist fragwürdig. Beide Geschlechter sind aktiv, sind weltgestaltend, wenngleich mit unterschiedlicher Orientierung. Nun gilt im Umgang mit den Urqualitäten das Grundmotiv der Wandlung. Auch Orientierungen können sich wandeln, und zwar vorwiegend über die "passiven" Urqualitäten der Trockenheit und der Feuchtigkeit. Diese beiden Qualitäten sind nicht an die Geschlechterzugehörigkeit gebunden. Es gibt "trockene" weibliche (Erde) und "trockene" männliche (Feuer) Zustände, es gibt "feuchte" weibliche (Wasser) und "feuchte" männliche (Luft) Zustände. Wir reden in der astrologischen Analyse gern von den "männlichen" und von den "weiblichen" Seiten, die jeder Mensch in seinem Horoskop hat. Sie sind nach astrologischer Überzeugung vorwiegend durch die Position von persönlichen Punkten (Aszendent, Medium Coeli, Sonne, Mond) und den schnell laufenden, manchmal auch "persönlich" genannten Planeten Merkur, Venus und Mars in männlichen oder weiblichen Zeichen markiert. In zweiter Linie schaut man, ob die typisch "weiblichen Planeten" (Mond, Venus, Neptun) bzw. die typisch "männlichen Planeten" (Sonne, Mars, Uranus) stark im Horoskop stehen. Aber der oft gehörte Rat, dass ein Horoskopeigner sich stärker um seine männlichen bzw. weiblichen Anteile bemühen solle, lässt sich astrologisch gar nicht ohne weiteres ableiten. Die unbewusste Unterstellung, dass Charaktermerkmale ohnehin unwandelbar sind – oder wenigstens nicht ohne weiteres gewandelt werden können – macht es auch schwer, aus dem Horoskop selbst therapeutische Handreichungen für einen solchen Rat zu entnehmen.

Ein neuer Blick auf die Geschlechterproblematik
Noch etwas Befremdliches: Wir tun uns schwer damit, das Männliche als "warm", das Weibliche als "kalt" zu empfinden. Oft ist es ja gerade umgekehrt: Die Wärme des Gefühls macht für unsere Wahrnehmung eine wichtige Qualität des Weiblichen aus. Umgekehrt erscheint uns die "kalte Sachlichkeit", womöglich noch als bürokratischer Sachzwang ausgewiesen, typisch männlich. Vergessen wir nicht, dass beide Qualitäten eine jeweils besondere Weise der Aktivität bezeichnen und nicht auf die Angabe einer Temperatur aus sind. An der "Kälte" ist bedeutsam, dass sie zusammen zieht, verbindet. Kälte stellt Nähe her. Kälte sorgt für die Verbindung von Dingen (und Menschen), die sonst eher nicht verbunden wären. Genau das ist eine wichtige weibliche Qualität. Das Weibliche verbindet. Ebenso ist an der "Wärme" bedeutsam, dass sie auseinander treibt, dass sie dissoziiert, dass sie trennt. Wärme sorgt für die Trennung von Dingen (und Menschen), die nicht zusammen gehören. Wärme stellt eine Art Ordnung her. Denn durch den Einfluss von Wärme trennen sich die Dinge und streben an ihren jeweils natürlichen Ort.

Das genaue Hinsehen bei den Elementen und den ihnen zugeordneten Urqualitäten könnte einen neuen Blick auf die Geschlechterproblematik ermöglichen. Frauen sind nicht "kalt", und Männer sind nicht "warm". (Sie haben beide dieselbe Körpertemperatur von rund 37 Grad Celsius.) Es ist auch nicht so, dass Frauen "passiv" wären, wohingegen Männer alles "Aktiv sein" für sich in Anspruch nehmen könnten. Beide Geschlechter sind aktiv, beide wollen gestaltend auf die Welt wirken, und sie tun das auch. Sie tun es aber auf etwas unterschiedliche Weise. Hier gilt es, hinzuschauen. Nicht "Aktivität" als solche steht in Frage, wenn es um Geschlechterunterschiede geht. Es steht das Motiv, die Orientierung, die Zielrichtung in Frage. "Kälte" ist die Metapher für die "weibliche Aktivität" des Verbindens; "Wärme" ist die Metapher für die "männliche" Aktivität des Dissoziierens, Trennens – und Zu-Ordnens. Das indessen passt ausgezeichnet. Der Grundimpuls des Verbindens kann sich auf der mitmenschlichen, der Beziehungsebene viel deutlicher manifestieren. Der Grundimpuls des Dissoziierens und Zuordnens manifestiert sich viel deutlicher auf sachlicher Ebene. Das heißt nicht, dass Frauen kein Interesse an "Dingen", "Sachen" hätten. Im Gegenteil! Aber dieses Interesse lebt um des Verbindens willen, und zwar vorwiegend auf der Beziehungsebene. Die Ästhetik weiblicher Körper- und Bekleidungskultur, um ein Beispiel zu nennen, ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, Beziehung zu stiften. Weiblich-mütterliche Pflege und Fürsorge macht regelmäßig Gebrauch von sehr vielen Dingen. Nicht ohne Grund geht die "Materie" auf das lateinische Wort mater für "Mutter" zurück. Um Beziehungen zu stiften und zu pflegen, sind Frauen allerdings höchst "materialistisch" eingestellt. Zur Stiftung und zur Pflege von Beziehungen gehört auch die potenzielle Brutpflege. Es ist ein alter Hut, dass in der Statistik für die Gründe weiblicher Partnerwahl das gut ausgestattete Bankkonto vor dem Sex-Appeal eines gut gebauten Männerkörpers rangiert.

Neue Rollen, neue Aufgaben
Und das alles heißt nicht, dass Männer kein Interesse an mitmenschlichen Beziehungen hätten. Dieses Interesse aber lebt aus stärker sachbezogenen Motiven. "Die Ordnung der Welt", so könnte die Überschrift über das grundlegende Interesse des Mannes lauten. Ordnung muss geschaffen, muss getestet werden. Deshalb sind Männer hingebungsvolle Wissenschaftler und Techniker, die eine "Ordnung der Welt" erkennen und zu stiften suchen. Aber darum sind sie auch mit Rivalitäten, mit Wettstreit beschäftigt, mit Hierarchien. Wer zuordnen will, will Ordnung schaffen, will aufräumen. Jede Hausfrau (und jeder Hausmann) weiß, dass man beim Aufräumen durch eine Phase besonderer Unordnung geht. Darum sind Männer eben auch chaotisch, sind unter Umständen zerstörerisch. Und es ist nicht so – jedenfalls nicht im Prinzip – dass Männer gefühlsarm und partnerschaftsunfähig wären, wie es einem Vulgärfeminismus gern in den Beziehungskram passen würde. Beziehungen sind aus männlicher Sicht Teil einer Ordnung und Zu-Ordnung in der Welt. In diesem Sinn tun Männer sehr viel für Beziehungen: Sie handeln Verträge aus. Allerdings bleiben Männer unter Umständen dann am bloßen Buchstaben des Vertrages haften.

Die grundlegend dissoziierende Qualität des Männlichen gegenüber der verbindenden Qualität des Weiblichen führt in sehr vielen, wenn nicht allen Kulturen dazu, dass der individuelle Mann selbst im Lauf seiner Entwicklung die vorwiegend weiblich orientierte Heimat seiner Kinderjahre verlassen und zu einem völlig anderen Menschen werden muss. "Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und dem Weibe anhangen" (Gen. 2, 24), heißt es beziehungsreich im Alten Testament über diese Entwicklungsnotwendigkeit des Mannes. Mit der Pubertät entäußert sich das männliche Kind der vorwiegend weiblichen Obhut und Pflege, wo es sich ähnlich wie ein Mädchen verhalten durfte. Ob Sozialisation oder Testosteron – das männliche Kind muss dann einen gefährlichen Weg des Erwachsenwerdens gehen, gefährlich, weil das männliche Kind aus der bisherigen kindlichen Identität zur Gänze vertrieben wird. Erst dann ist der eigene Weg, erst dann ist aber auch Partnerschaft möglich. Das "Muttersöhnchen", der nicht erwachsen gewordene Mann taugt weder für einen eigenen Weg noch als Partner. Das Patriarchat dürfte den Konflikt, der in der männlichen Pubertät beschlossen liegt, noch verschärfen. Aber das Patriarchat ist nicht die Ursache dieses Konfliktes. Auch Mädchen müssen "erwachsen" werden. Doch sie dürfen dabei im Prinzip im vertrauten Umfeld bleiben: Sie werden erwachsen, indem sie ihre Identität anreichern – statt sie preisgeben zu müssen. Das "Muttertöchterchen" gibt es nicht. Gewiss, solches "Anreichern" hat seine eigenen Gefahren und Konflikte, wie Essstörungen als typisch weiblicher Krankheitskonflikt während und nach der Pubertät des Mädchens zur Genüge belegen.

Männliche Planeten, weibliche Planeten
Wir haben gesehen, dass die Urqualität "warm" dem männlichen Geschlecht, die Urqualität "kalt" dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wird, während die Urqualitäten "feucht" und "trocken" auf beide Geschlechter zutreffen kann. Wir müssen bei den Qualitäten "feucht und "trocken" gleichwohl etwas genauer hinsehen. Es gibt in der Antike auch eine Zuordnung der Urqualitäten zu den Planeten. Es gilt für die alte Reihe der Planeten bis einschließlich Saturn folgende Zuordnung:

Planet Zugeordnetes Paar von Urqualitäten
Sonne warm und trocken
Mond kalt und feucht
Merkur veränderlich: nicht übermäßig warm, eher trocken
Venus kalt und feucht
Mars warm und trocken
Jupiter warm und feucht
Saturn kalt und trocken

Die klassischen Autoren betonen bei Merkur vor allem dessen veränderliche Natur. Er entzieht sich nicht einer Zuordnung, doch lässt sich die Zuordnung aufgrund seiner jeweils recht unterschiedlichen Wirkung nicht gerade eindeutig vornehmen. Die klassischen "männlichen" Planeten Sonne und Mars nun sind beide warm und trocken, die klassischen "weiblichen" Planeten Mond und Venus sind beide kalt und feucht. Man darf diese Zuordnungen nicht ohne weiteres auf die klassischen Zeichenherrschaften abbilden. Diese Abbildung gilt jedoch immerhin in folgenden Fällen:

Planet Zugeordnetes Paar von Urqualitäten Entsprechendes Herrschaftszeichen
Sonne warm und trocken Löwe
Mond kalt und feucht Krebs
Mars warm und trocken Widder
Saturn kalt und trocken Steinbock

Wenn wir die klassischen Erhöhungen mit einbeziehen, gewinnen wir noch für die kalt-feuchte Venus das Zeichen Fische, das ebenfalls kalt und feucht ist. Alles in allem sind die Zuordnungen der Urqualitäten zu den Planeten einerseits, zu den Zeichen andererseits nicht unbedingt kompatibel. Dies gilt vor allem für Merkur und Jupiter. Wir werden indessen noch sehen, dass auch das seine Bedeutung hat.

Überarbeiteter Vortrag bei der "Astrologischen Gesellschaft Frankfurt am Main e.V." am 8.11.2005

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