HomeGrundlagen & DeutungenGeschichte der AstrologieDie astronomische Uhr zu Stralsund

Die astronomische Uhr zu Stralsund

Von Monika Heer

 Die astronomischen Uhren am Rathaus in Prag oder im Straßburger Münster sind sicher um einiges prächtiger als die astronomische Uhr in St. Nikolai zu Stralsund. Trotzdem ist die Uhr am Osteingang der Nikolaikirche in mancherlei Hinsicht bemerkenswert, zum Beispiel ist dank einer umlaufenden Inschrift das Datum der Vollendung der Uhr übermittelt, es ist der 6. November 1394.
 

Außerdem sind sowohl Uhr als auch das Uhrwerk weitgehend erhalten geblieben und seit ihrer Inbetriebnahme nicht wesentlich verändert oder umgebaut worden, wie z.B. die wunderbare Uhr im Münster zu Straßburg, die zuletzt 1838-1842 umfassend renoviert wurde. So erzählt dieses Werk der Uhrmacherkunst aus dem 14. Jahrhundert von einer Ära, in der sich Astrologie und Astronomie noch als königliche Schwestern vereint präsentierten und in der das Messen der Zeit weitaus mehr war als ein rein mechanisch-quantitativer Akt.

Nikolaikirche_Stralsund

Abb. Die astronomische Uhr in der Stralsunder Nikolaikirche

Betrachtet man zunächst die drei Zeiger der Stralsunder Uhr, fällt der stabförmige Sonnen- oder Stundenzeiger auf, der bis zum äußeren Rand des Ziffernblatts reicht. Hier sind nicht etwa die 12 Stunden des Tages angezeigt, sondern zweimal 12 Stunden. Damit konnten die sogenannten Äquinoktialstunden abgelesen werden. Der ebenfalls stabförmige Mondzeiger ist etwas kürzer als der Sonnenzeiger. Heute trägt seine Spitze keine Mondkugel mehr, doch früher zeigte diese Kugel die jeweilige Mondphase exakt an. Der dritte Zeiger ist ein exzentrisch angebrachter Tierkreiszeiger, sein „Ziffernblatt“ ist in 12 Teile mit jeweils 30 Graden aufgeteilt, diese 30-Grad-Abschnitte sind mit den uns bekannten 12 Tierkreiszeichen bemalt.

Eine Drehung dieses Tierkreiszeigers dauert 23 Stunden, 56 Minuten und 3,4 Sekunden, das ist die Maßeinheit, die (auch) in der Astrologie als ein Sterntag bekannt ist, während der Stundenzeiger in 24 Stunden, also der Dauer eines Sonnentages, einmal durch das gesamte Rund läuft - und der Mondzeiger einen Mondtag benötigt. Die Lage der einzelnen Zeiger zueinander auf dem Hintergrund der bemalten Uhrscheibe ermöglichte damals exakte astronomisch-astrologische Angaben: die Aufgangs- und Untergangszeiten von Sonne und Mond konnten abgelesen werden, die jeweilige Stellung der Planeten Sonne und Mond im Tierkreis und die aktuelle Mondphase. Außerdem konnte die Uhrzeit nicht nur in Äquinoktial- sondern auch in Temporalstunden gemessen werden. Und erstaunlich ist, dass die Konstruktion des Uhrwerks bis auf Bruchteile von Sekunden die astronomischen Gegebenheiten wiedergeben konnte.

Die weisen Astrologen des Mittelalters
Es gibt aber noch mehr zu staunen: In den Ecken der Uhr sind vier Männer abgebildet, die jeweils ein Spruchband in lateinischer Sprache präsentieren. Diese Männer sind die „Weltweisen“ und den Kundigen der Astrologiegeschichte wohlbekannt. Von links oben angefangen sind im Uhrzeigersinn Claudius Ptolemäus, Alfons X. von Kastilien, Hali und Albumasar zu sehen. Hali ist Ali Ibn Ridwan oder Haly Abenrudian (nicht zu verwechseln mit dem legendären Haly Abenragel), er lebte im 11. Jahrhundert in Ägypten und hat einen bedeutsamen Kommentar zu den Centiloqien des Ptolemäus verfasst, während Albumasar von 805-886 in Badgad lebte und als einer der bekanntesten arabischen Astrologen gilt. Viele seiner Bücher wurden damals ins Lateinische übersetzt, das hat ihm in Wilhelm Knappichs Geschichte der Astrologie immerhin den Titel eines Vielschreiber beschert. Zu Ptolemäus müssen keine Erklärungen abgegeben werden, seine Tetrabiblos sind längst ein Klassiker, während die alfonsinischen Tafeln hier noch kurz erläutert werden sollen. Alfons X. von Kastilien galt als Förderer der Künste und Wissenschaften und beauftragte um 1250 herum die Gelehrten seines Landes, arabische Astrologie-Werke zu übersetzen und verbesserte Planetentaflen zu erstellen. Deshalb erhielt er den Beinamen Astrologus.

Die jeweiligen Spruchbänder, die uns diese Astrologie-Kundigen entgegenhalten, lassen ahnen, wie der mittelalterliche Mensch Gottes- und Sternenglauben ohne Widerspruch vereinen konnte.

Das Motto des Ptolemäus lautet:
Das Niedere wird von Höherem gelenkt!

Das Motto des Alfons X. von Kastilien:
Die Bewegung der Sonne und Planeten findet im schrägen Kreise statt.

Das Motto des Ali Ibn Rodwan:
Der Tag ist die Erhebung der Sonne über dem Horizont.

Das Motto des Albumasar:
Der Weise wird die Sterne beherrschen!

Gerade das Motto des Albumasar genießt heute mehr denn je Aktualität. Offenbar war Astrologie schon immer ein Weg, seinem Schicksal zu begegnen, um - mit Wissen versehen - sein Leben zu gestalten. Wie schön, dass es gerade in der Kunst und Architektur immer wieder anschauliche Beispiele gibt, die uns an diese lebendige Tradition in der Astrologie erinnern.

[[http://de.wikipedia.org/wiki/Astronomische_Uhr]]

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